Kunst-Tag 2023: “Von Beuteln und Sackgassen – emanzipatorische Dehnübungen”

“Durchsichtige Träger:innen – transparent carriers”

In diesem Jahr 2023 war Alex Hojenski die Art Residency Künstlerin. In den drei Monaten ihrer Residenz entstand das Kunst-Objekt „Durchsichtige Träger:innen – transparent carriers“, das in den Bäumen oberhalb der Kegelbahn des Parks vom Wildbad installiert ist. Das Kunst-Objekt kann aus verschiedenen Blickwinkeln und Ebenen betrachtet werden: von der Seite, von unten und auch von oben.

In ihren Arbeiten beschäftigt sich Alex Hojenski immer wieder mit Perspektivwechsel, Abgrenzung, Durchlässigkeit und Transparenz. So auch in ihrer Arbeit für das Wildbad. Für das Objekt „Durchsichtige Träger:innen
– transparent carriers“ setzte sie sich außerdem intensiv mit dem Narrativ von Geschichte auseinander, u.a.inspiriert durch einen Essay der amerikanischen Autorin Ursula K. Le Guin: „The Carrier Bag Theory of Fiction“ Die Autorin Le Guin beschreibt darin wie unsere Wahrnehmung von Herkunft und Gesellschaft davon beeinflusst ist, dass Helden unsere Geschichten prägen. Helden kämpfen, streiten, siegen und das fast immer im Besitz von Waffen. Helden erleben und erzählen Abwechslungsgewaltiges und nicht Alltagslangweiliges. Ursula Le Guin setzt diesem heroischen waffengebrauchenden Narrativ den Beutel entgegen. Ein Behältnis, so die Autorin, ist das wichtigste Versorgungs- und somit Überlebensattribut der Menschheit. Den Beutel und das darin Sammeln in den Vordergrund setzend rückt sie ein Erzählen in den Vordergrund, das nicht-heroisch, sondern alltäglich, oft weiblich, geprägt ist und verschiebt somit die Sichtweise auf Geschichte. Es ist immer die erzählte Geschichte, die beeinflusst, Perspektiven und Verstehen eröffnet. Die erzählte Geschichte macht den Unterschied!

Alex Hojenski interessierte sich während ihrer Art Residency für die Erzählungen über Rothenburg, die die Aufrechterhaltung dieser wehrhaften, mittelalterlichen Stadt verkörpern, aber auch für die, die – dazwischen – verloren gegangen sind. Welchen Machtstrukturen von Kirchen und Regierenden ist dieses Narrativ unterworfen? Welche – vor allem aber wessen – Geschichten werden durch Architektur, Stadtgestaltungen und Gesellschaftsstruktur erzählt? Und welchen Wandel erfahren und erfuhren diese Geschichten im Laufe der Zeit?

Netzartig spannen sich umnähte Gurte zwischen den Bäumen. Es ergeben sich geometrische Flächen, die stellenweise mit farbig bedrucktem Gewebe ausgefüllt sind. Drei unterschiedlich große Behälter hängen mittendrin herab. Die Beutel sind nach oben hin durch Ringe weit geöffnet, so dass sie alles Herabfallende in sich aufnehmen, sammeln können. Durch die kleineren Öffnungen nach unten wird vieles gleich wieder frei gegeben. Moose und Pilze werden sich an verschiedenen Stellen festsetzen und wachsen und der Installation ein sich ständig verändertes Aussehen geben: eine Aufforderung immer wieder die Sichtweise auf erzählte Begebenheiten zu ändern und Begrifflichkeiten neu zu denken.

Fotos: Tim Kiertscher