Sechs Tage in der Begegnung mit Hildegard von Bingen im Wildbad Rothenburg
Vor 200 Jahren brauchten Nachrichten über wichtige Ereignisse oft Wochen, manchmal sogar Monate, bis sie ihr Ziel erreichten. Heute geschieht das in der globalisierten Welt in Sekundenschnelle via Satelliten und Internet. Ferne Länder sind einander durch die technischen Möglichkeiten sehr nahe gerückt. Das hat gute und schlechte Seiten. Im Zeitalter von Corona (Covid 19) erleben wir die Gefährdungen, die dadurch entstehen können.
Der Gedanke, dass alles miteinander in Verbindung steht und sich gegenseitig beeinflusst, ist nicht neu. Bereits im 12. Jahrhundert beschreibt Hildegard von Bingen in ihrer Schrift „Welt und Mensch“, wie im Kosmos, der Schöpfung Gottes, alles miteinander in Verbindung steht: Nichts geschieht, ohne dass es auf alles andere Auswirkungen hat. Sie sieht in der Schöpfung ein geheimes Netzwerk, das alles Leben miteinander in Beziehung setzt und aufeinander verweist.
Was Hildegard im großen Kosmos (Makrokosmos) erkennt, beschreibt sie in gleicher Weise auch über den Kosmos im Kleinen (Mikrokosmos), den sie im Menschen wahrnimmt. Auch hier ist für sie alles miteinander in Verbindung und wirkt auf das andere ein. Der Mensch, Gottes Geschöpf, steht mitten im Weltenbau und ist selbst mit allem verbunden. Im Menschen sieht sie in ihren Visionen drei Kraftzentren, die für sein Heil und seine Heilung verantwortlich sind:
• das leibliche Zentrum
• das seelisch-emotionale Zentrum
• das geistig-spirituelle Zentrum.
Sie alle sind miteinander verbunden und wirken zusammen. Sie brauchen den inneren Ausgleich, damit der Mensch gesund bleibt und auf dem für ihn guten Weg gehen kann, der ihn zu Gott führt.
Neben den Heilkräften in der Schöpfung – in den Bäumen, Blumen, Kräutern und Gewürzen… -, beschreibt Hildegard auch die Heilkräfte der Seele. Diese Kräfte nennt sie „virtutes“. Das sind die Tugenden, wie z.B. Glaube, Hoffnung, Liebe und Geduld. Insgesamt beschreibt sie davon 35. Die eigentliche Heil- und Lebenskraft aber nennt Hildegard „viriditas“, die Grünkraft. Diese Gotteskraft „viriditas“, die in der Kraft des göttlichen Feuergeistes das All durchweht, belebt das spirituelle Kraftzentrum des Menschen Tag und Nacht. So empfängt der Mensch ständig neu den Kuss des Schöpfers durch Gottes Liebe für sein Wirken in der Welt.